Herbert Hrachovec: Ein frommer Wunsch

Die Universität Wien ist ein Großbetrieb mit teilweise vorsintflutlicher Informationstechnologie. Seit vergangenem Jahr läuft ein Projekt, das die Agenden des Lehr- und Studienwesens, der Personalverwaltung, der Forschungsadministration, und schließlich der universitären Selbstorganisation vereinheitlichen soll. Für interessierte Laien eine gute Gelegenheit, aus der Nähe zu betrachten, wie Datentechnik und Betriebswirtschaft ineinander greifen.

Die Vorgangsweise kam direkt aus dem Lehrbuch. Den Anfang machte die Orientierung über den Markt. Ein Team, gebildet aus hauseigenen Experten und einer Firma für Softwareberatung, prüfte vorhandene Produkte. Die Ergebnisse wurden in einer universitätsweiten Informationsveranstaltung vorgestellt und diskutiert. Natürlich setzt sich diesem Forum überwiegend aus Laien zusammen. Andererseits ist die praktische Mitarbeit der Angestellten für das Gelingen der einschneidenden Neuorganisation unerläßlich. Arbeitsgruppen müssen das in Aussicht genommene System kennenlernen, testen und den lokalen Bedürfnissen anpassen.

Ihre Einsetzung wird von beträchtlichem rhetorischem Aufwand begleitet. ,,Wir bieten Ihnen die günstigste verfügbare Lösung. Damit sie für Ihr Unternehmen fruchtbar wird, brauchen wir Ihre Hilfe. Zusammen werden wir die Herausforderung bewältigen.“ Und in der Tat: Es führt kein Weg daran vorbei, das administrative Ungetüm ,,Universität Wien“ in kooperativen, unternehmens-übergreifenden Prozessen in den Griff zubekommen.

Gerade akademische Institutionen bieten die Chance, das gewöhnlich per Diktat verfügte Informationsmanagment als interessantes und brisantes Themenfeld zu betrachten. Diese Idee erwies sich allerdings als — akademisch. Die erste Sitzung der Kontaktgruppe brachte einen jähen Kollaps der hochgesteckten Erwartungen. Still und stumm saßen die Konsultenten der Beratungsfirma in der Ecke, während eine ambitionierte Schulungsleiterin des gewählten Software-Hauses etwa 25 Sachbearbeiterinnen die Behandlung einer Anzahl von Eingabemasken erklärte. Ein Schritt, genauer gesagt ein schmerzlicher Spagat, führte von ambitionierten Perspektiven zum Altagsjob standardisierter Datenerfassung.

Um fair zu bleiben: In der Folge bestand Gelegenheit, die Modellierung der Abläufe separat zu diskutieren und modifizieren. Dennoch bleibt — bei aller Rhetorik — die kalte Dusche das bedenkenswerteste Resultat. Auf der einen Seite liegt das Unternehmensziel, die soziale Kompetenz der Mitarbeiterinnen (m/w) und allgemein die hoffnungsreiche Zukunft. Dieseits der good-will Kampagne bedienen Angestellte ausgewählte Hebel eines Hardware-Softwar-Komplexes, dessen Funktionsweise sie weder durchschauen können, noch wollen. Der Augenblick der Erleuchtung, in dem das Ausfüllen bestimmter Felder auf das größere Ganze hin durchsichtig wird, bleibt ein frommer Wunsch.

Auch philosophische Phantasien unterliegen der Revision. Der Anspruch war überzogen. Wissen ist Macht und verlangt detaillierte Kompetenz in einer Reihe technischer und organisatorischer Handlungsfelder. Zwischen den Eckpunkten des Spagats, der eine einigermaßen aussichtsreiche Überbrückung der Arbeitsteilung suggeriert, liegt ein unübersichtliches Konfliktfeld von Technik, Firmenziel und Leistungsanspruch an die Arbeitnehmerinnen (m/w). Guter Wille kann die darin angelegten Zusammenstöße nicht ersetzen. In ihnen wird vielleicht auch jenes Wort fallen, auf das ich als lernbegieriger Philosoph die ganze Zeit vergeblich gewartet habe: ,,Datenmodell“.