Die folgende Buchbesprechung erschien 1994 im FORVM. Sie war durch die Beiträge einiger Angehöriger des Instituts zum FPÖ-Jahrbuch provoziert worden.

Das Rendezvous der Löwen und der Lämmer

Herbert Hrachovec

Das "Jahrbuch für politische Erneuerung 1994" der FPÖ [1] ist ein gefundenes Fressen. Aber ich bin nicht hungrig, danke. Eher neugierig und ein wenig ängstlich, ob es gelingen kann, "für die tüchtigen, für die fleißigen, für die begabten Menschen und vor allem für jene, die anständig sind" (Jörg Haider, S.179) mehr als ein bitteres Lächeln aufzubringen. Mein Ziel ist weder, FPÖ-Sympathisanten zu bekehren, noch geistreiche Polemik zu demonstrieren. Eine über 800 Seiten starke Sammlung von Meinungen, Argumenten und teilweise erregter Auseinandersetzungen bietet naturgemäß keine scharf umrissene Position. Im Gegenteil: Das Jahrbuch will gerade die intellektuelle Offenheit der FPÖ dokumentieren. Ich frage, was es damit auf sich hat. Ein paar Buchseiten kann sie unorthodoxen Autoren leicht zur Verfügung stellen, aussagekräftiger sind die Regeln des Ensembles insgesamt. Die Beziehung (und Beziehungslosigkeit) der Beiträge untereinander zeigt den Geisteszustand in der Partei.

Die Diskussion wird exemplarisch vorgehen und sich auf Kulturpolitik, Philosophie und Geschichte konzentrieren. Die ausgedehnten Bereiche juridischer, ökonomischer und sozialer Fragen, sowie die europäische Integration, bleiben ausgespart. Trotz der methodischen Zurückhaltung ist meine Darstellung voreingenommen. Ich verrate besser gleich zu Beginn, worauf sie hinausläuft. In pluralistischen Verhältnissen machen sich sture Dogmatiker nicht gut, darum muß jede wahlwerbende Gruppe Gesprächsbereitschaft mit Andersdenkenden signalisieren. Die Freiheitliche Partei kann dabei auf Reste ihres liberalen Erbes zurückgreifen. Doch damit entsteht eine Schwierigkeit. Bekanntlich beruht ihr Erfolg auf der Zuspitzung politischer Differenzen und einem straffen Führungsstil. Das schmissige Auftreten des Parteiobmanns ist am Wahltag mehr wert, als die Belege der Weltoffenheit, die für ein einigermaßen demokratisches Image gefordert werden. "Im Jahrbuch für politische Erneuerung" prallen die beiden Seiten aufeinander. Weder ist es ein Dokument mit klarer Linie, noch ein Gesprächsforum. Löwen und Lämmer weiden vorläufig friedlich nebeneinander. Wenn das kein Paradies ist, hat ihnen jemand was ins Futter getan und das Gemetzel steht noch aus.




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hh
Mon Feb 5 20:36:13 MET 1996