next up previous
Next: Zur Kenntnisnahme Up: Dossier zur Datenarbeit Previous: Vorlesungsnotiz

Gutachten

Die Antragsteller reichen ein Projekt ein, das Auswirkungen informatischer Modellbildungen in den Geisteswissenschaften anhand des Prototyps einer Datenbank für Publikationen am Institut für Philonomie untersuchen soll. Sie wollen die Angemessenheit marktüblicher Problemlösungen im Softwarebereich einer systematischen Kritik unterziehen und sowohl die Berufung auf das technisch Machbare, als auch auf die angeblich natürlichen Bedürfnisse der Benutzer in Frage stellen. Die Informatik entwickelt, in der Sicht der Proponenten, ihr begriffliches Repertoire ohne den sozialen und systematischen Stellenwert ihrer Produkte diskursiv zu klären. Ein Schwerpunkt der vorgeschlagenen Studie liegt daher in der Dokumentation computer-induzierter Prozesse der Wissenstransformation. Im Einzelnen wird vorgeschlagen, erstens die Veröffentlichungen der Angehörigen einer akademischen Forschungseinheit in ein eigens dafür entwickeltes, auf frei verfügbarer Software aufbauendes, Datenmodell zu erfassen und die Arbeit an diesem Projekt zweitens als signifikaten Einschnitt in institutionalisierte Abläufe des Wissenschaftsbetriebs zu begreifen. Methodologische Probleme der Modellierung sollen verschränkt mit der Reflexion auf konkrete Umstände behandelt werden, welche durch die innovativen Techniken betroffen sind.

Der eingereichte Plan weist auf eine Reihe wichtiger Probleme hin. Dennoch fehlt im Projektvorschlag die eigentlich philosophische Thematik. Zwar wird von ,,Textontologie'', ,,Wissen'', ,,Vermittlung'' und sogar von ,,Aufklärung'' gesprochen, doch diese Termini werden weder historisch noch systematisch fundiert. Von einem philosophischen Forschungsprojekt muß verlangt werden, daß es sich eines fachüblichen Begriffs von ,,Ontologie'' bedient, statt das Wort unreflektiert aus dem Gebruach von Computertheoretikern zu übernehmen. Ein weiteres bedenkliches Beispiel betrifft das Thema des digital unterstützten Wissenstransfers. Der Ansatz bei einer paradigmatisch eingeschränkten Datenbank greift erheblich zu kurz. Philosophische Reflexion richtet sich auf Erkenntnisprinzipien, nicht auf mehr oder weniger willkürlich herausgegriffene Einzelfälle.

Insgesamt entsteht der Eindruck, das Institut für Philonomie erwarte von der Stiftung Wissenschaft 2000 die Subventionierung einer Datenbank. Vergleichbare Forschungseinheiten kommen dagegen mit der im Microsoft Office-Paket enthaltenen Standard-Software aus. Dem Vernehmen nach werden in Graz bei der Präsentation von Daten am WWW mit ,,Front Page'' gute Ergebnisse erzielt. Eine Förderung des Forschungsvorhabens kann darum nicht empfohlen werden.


next up previous
Next: Zur Kenntnisnahme Up: Dossier zur Datenarbeit Previous: Vorlesungsnotiz
h.h.
2000-11-02