Geschrieben für das Kunstprojekt Operation Figurini von Christoph Steinbrener.

 

Begriffe können einander ergänzen wie Masse und Medien. Oder sie stoßen einander ab: Demokratie und Diktatur. Eine andere Variante sind spannungsgeladene Zusammenstellungen, etwa Kirche und Staat, Geist und Körper, auch Natur und Gerechtigkeit. Flüchtig betrachtet liegen physische Abläufe und Rechtsordnungen so weit auseinander, daß Überschneidungen fehlen. Dennoch ist nicht ausgeschlossen, daß sie heftig interferieren.

Ein typisches Konfliktfeld ist „Naturgesetz“. L. Wittgenstein vertritt die eine Position: „Der Glaube an den Kausalnexus ist der Aberglaube.“ (Tractatus Logico-Philosophicus 5.1361) Nach dieser Auffassung hat der Gang der Dinge nichts mit menschlichen Eingriffen zu tun. „Die Welt ist unabhängig von meinem Willen.“ (6.373) So argumentiert die philosophische Richtung, die sich von der Illusion anthropomorpher Weltordnungen freihalten möchte. Wir dürfen das Naturgeschehen nicht als Kosmos interpretieren. Und was ist mit Umweltverschmutzung oder dem Irakkrieg? Das Weltgeschehen ist offensichtlich doch auch vom menschlichen Willen abhängig. Gesetze (oder Gesetzesverstöße), welche Sozialverbände kennzeichnen, wirken sich auf die materielle Umwelt aus.

 Gesetze implizieren Gerechtigkeit. Sofern sie nicht auf der Zustimmung der Betroffenen beruhen, gelten sie als Willkür. Es ist schon eigenartig, daß die Sprache eben diesen Ausdruck auch dazu verwendet, um Abläufe zu charakterisieren, die mit Konsensbildung wahrlich nichts zu tun haben. Jahrhundertelang schien selbstverständlich, daß ein höherer Wille hinter den Naturgewalten steht. Die göttliche Gerechtigkeit war stellenweise schwer durchschaubar, doch offensichtlich eher akzeptabel, als das ungeordnete, vernunftwidrige Schicksal. Noch heute legen wir mit dem Ausdruck „Naturgesetz“ ein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis an den Tag. Hier die Gesellschaft, dort der Naturzustand – und beide verbindet ein „Gesetz“.

 Ist das nun Glaube, Aberglaube oder Unsinn? Soll man die Interferenz von Natur und Gerechtigkeit feiern oder entflechten? Die Frage selbst ist fehlerhaft. Sie tut so, als ob es zwei wohldefinierte Gebiete gäbe, die quasi in diplomatische Beziehungen miteinander eintreten. Aber Begriffe sind Abstraktionen. Wenn wir ein Teilgebiet der Erfahrung als „Natur“ kennzeichnen, können wir uns auch einfallen lassen, wie es zu anderen Segmenten der Lebenswelt steht. Natürlich kommt es dabei zu Spannungen. Ein Beispiel: „Menschenrechte“. Sie sollten naturgegeben und für die Weltgesellschaft verbindlich sein. Ein faszinierender Entwurf. Oder ist es des Guten zuviel?

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