SOKRATES:
Zu welcher von beiden Arten den Staat zu behandeln ermahnst du mich
also, das bestimme mir. Zu der, welche es durchsetzen will, daß
die Athener besser werden, wie es der Arzt macht, oder wie einer, der
ihnen dienstbar sein muß, und nur wie es ihnen wohlgefällt,
mit ihnen umgeht? Sage es mir aufrichtig, Kallikles! Denn es gebührt
dir, wie du dich freimütig gezeigt hast gegen mich von Anfang
an, auch nun dabei zu beharren, daß du mir sagst, was du
meinst. Rede also auch jetzt rein und dreist heraus.

KALLIKLES:
So sage ich denn, du sollst ihnen dienstbar sein.

SOKRATES:
Ein Schmeichler also zu werden, du edelster Mann, forderst du mich
auf.

KALLIKLES:
Wenn du lieber ein Mysier heißen willst, Sokrates. Denn wenn du
dies einmal nicht tun willst.

SOKRATES:
Sage nur nicht, was du schon so oft gesagt hast, daß mich
alsdann töten wird wer Lust hat, damit ich nicht auch wieder
sage, ja aber wie ein Schlechter einem Guten wird er mir das tun;
auch nicht etwa, daß er mir nehmen wird was ich habe, damit ich
nicht wieder sage, ja aber wenn er es genommen, wird er es nicht zu
gebrauchen wissen, sondern wie er es ungerecht genommen hat, so wird
er es auch ungerecht gebrauchen, und wenn ungerecht auch schlecht,
und wenn schlecht auch zu seinem Schaden.

KALLIKLES:
Wie scheinst du mir doch, Sokrates, zu glauben, dir könne
nichts dergleichen begegnen, als ob du weit aus dem Wege wohntest,
und nicht etwa könntest von dem ersten besten elenden und ganz
schlechten Menschen vor Gericht gezogen werden.

SOKRATES:
Dann wäre ich wohl ganz unvernünftig, Kallikles, wenn ich
nicht glaubte, daß in dieser Stadt jedem Jedes begegnen kann,
wie es sich trifft. Aber das weiß ich auch, wenn ich vor
Gericht erscheinen muß, und in solche Gefahr komme wie du
sagst, so wird das ein schlechter Mensch sein, der mich vorgeladen
hat; denn kein guter würde einen unschuldigen Menschen belangen,
und es sollte mich gar nicht wundern, wenn ich sterben müßte.
Soll ich dir sagen, weshalb ich das erwarte?

KALLIKLES:
O ja.

SOKRATES:
Ich glaube, daß ich, selb einigen andern wenigen Athenern,
damit ich nicht sage ganz allein, mich der wahren Staatskunst
befleißige, und die Staatssachen betreibe ganz allein heut zu
Tage. Da ich nun nicht ihnen zum Wohlgefallen rede, was ich jedesmal
rede, sondern für das Beste, gar nicht für das Angenehmste,
und mich nicht befassen will mit den herrlichen Dingen die du mir
anmutest, so werde ich nichts vorzubringen wissen vor Gericht, und es
wird mich dasselbe treffen, was ich zum Polos sagte, ich werde
nämlich gerichtet werden wie unter Kindern ein Arzt, den der
Koch verklagte. Denn bedenke nur, wie sich ein solcher Mensch auf
solchen Dingen ertappt verteidigen wollte, wenn ihn einer anklagte
und spräche: Ihr Kinder, gar viel Übles hat dieser Mann
euch zugefügt, und auch die jüngsten unter euch verderbt
er, und ängstiget euch, daß ihr euch nicht zu helfen wißt mit
Schneiden und Brennen und Abmagern und Schwitzen und mit den
bittersten Getränken und läßt euch hungern und
dursten, gar nicht wie ich Euch immer mit so viel und vielerlei
Süßigkeiten bewirtete. Was glaubst du wird ein Arzt, wenn
er in solcher Not drin steckt, wohl sagen können? Oder wenn er
etwa die Wahrheit sagte, Ihr Kinder, das alles tat ich zu eurer
Gesundheit, was meinst du wohl würden solche Richter für
ein Geschrei erheben? Nicht ein großes?

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